Und nun wage ich allen medienberatenden Empfehlungen konträr zu behaupten, dass gerade die Polarisierung im Programm ein hervorragendes Hilfsmittel wäre, das Programm spannend, vielfältig und abwechslungreich gestalten zu können und dabei ganz bewusst Hörer aufzufordern, der Verfielfalt gegenüber aufgeschlossen und neugierig auf diese zu sein.
Es würde möglicherweise sogar die Engstirnigkeit in anderen Lebensbereichen etwas aufweichen können. Aber man ghettoisiert sich halt in seinem Genre, bloß keine Impulse von außen, bloß nichts Neues, bloß nichts bislang Unbekanntes. Sieht man im Sendegebiet des MDR auch sehr gut in der Radio-fernen Alltags"kultur". Fremdenfeindlichkeit beginnt hier nicht erst bei der Ablehnung von nicht-Deutschen. Sie beginnt nichtmal bei der Ablehnung von Westdeutschen. Sie beginnt bereits bei der Ablehnung von Zuzüglern aus der gleichen Region oder bei solchen Dingen, wie sich z.B. nachdem man das Dach nicht vom ortsansässigen Dachdecker, sondern von einem, der im Nachbar-Landkreis zu Hause ist, hat decken lassen, Anfeindungen über den Gartenzaun hinweg ausgesetzt zu fühlen.
Wie gut vielfältige Programme ankommen können, sahen wir doch gerade letztens an den Reaktionen auf "hr 8" anlässlich der Bombenentschärfung in Frankfurt.
Die Klassik- und Kulturwellen haben - neben den Schlagerformaten - in den letzten Jahren besonders arg bluten müssen.
So ist es. Kann man gleich noch beim SWR weitermachen: einen Klangkörper von Rang und Namen vernichtet und im Budget von SWR 2 massiv herumgestrichen. Dabei sind diese Wellen oft nichtmal reine Klassikwellen, sondern müssen als "Resterampe" alles aufnehmen, was in die plattformatierten Massenprogramme aufgrund des engen Format-Korsetts nicht mehr stattfinden darf. Neben Klassik ist das oft der Jazz und alles zu den Themen Literatur, Zeitgeschehen, Wissenschaft, Theater, Bildung (!), Hörspiel, Programm für Kinder, oft sogar letztlich jede Art von Musik, die nicht ins Pophit-Format passt.
Beim NDR hat man noch den glücklichen Umstand, dass die Infowelle abends erst Jazz bringt und sich dann die Erben von Klaus Wellershaus der Vielfalt der Popkultur widmen (und das sehr gut). Beim BR hat man noch den glücklichen Umstand, mit Bayern 2 ein hochwertiges Gesamtprogramm zu haben (in dem dann von Verbraucherberatung über Religion, Medizin, Wissenschaft, jeglichem Blick in die Welt, Satire bis hin zur Popkultur alles stattfinden muss). Doch auch da machen sich Einsparungen bemerkbar: die phantastische Sendereihe
"Weitwinkel" wurde bereits aus Kostengründen eingestellt, ebenso das unmittelbar an der Wunde der Kulturlandschaft operierende Magazin "Taktlos" auf BR Klassik. Einfach mal durch das
Sendungsarchiv gehen und staunen, wie sehr die Themen mit dem allgemeinen Elend unserer Gesellschaft verbunden sind und dringlicher denn je zu behandeln wären. Und die Fotos unter jeder archivierten Sendung anschauen: soviel Lebensfreude haben Menschen, die noch eine Verbindung zu Kultur besitzen. Die Streichungen werden weitergehen: ab 2018 droht soweit mir bekannt die "Fläche" am Wochenende im Programm von Bayern 2.
Was die reine Klassik betrifft: die läuft teils unter "ganz billig". Wie beispielsweise beim MDR, dessen
Rundfunkbeitragsverwendung für MDR Klassik (digitale Wege olny) 3 Cent im Monat von jedem Gebührenzahler vorsieht, während z.B. MDR Jump 19 Cent kosten soll (Technik, IT und Ausstrahlung jeweils nicht inbegriffen). Die 3 MDR-1 -Landesdudler kosten zusammen angeblich 90 Cent - genausoviel wie MDR Kultur, MDR Klassik und die MDR-Klangkörper zusammen (91 Cent). MDR Jump und MDR Sputnik (zusammen 34 Cent) kosten demnach mehr als das hochgradig aufwendige MDR Aktuell (28 Cent). Entweder mir erklärt das jemand nochmal mit diesen Zahlen, oder ich muss mir weiterhin nur an den Kopf fassen.
Ich hab seit einem halben Jahr DAB-Radios zuhause und im Auto und bin damit völlig zufrieden.
Es fühlt sich jedenfalls nicht als "Ghetto" an, sondern eher als das Gegenteil.
Hängt sehr vom jeweiligen "woher komme ich" ab. Für mich wäre z.B. DAB keinerlei Zugewinn, da ich die für mich relevanten Programme allesamt über Satellit (Wohnort 1) oder Digitalkabel (Wohnort 2) beziehen kann - in weitaus besserer Klangqualität als über DAB in den jeweiligen Gebieten und vor allem auch vollständig (Deutschland, Österreich, Schweiz).
Wer viel mit dem Auto unterwegs ist und im Bundesmux etwas mag und sich an der bescheidenen Klangqualität nicht stört, hat mit DAB natürlich ein Plus. Bei wem die Öffis dann noch attraktive Zusatzangebote auf DAB laufen haben und mit der Bitrate einigermaßen großzügig umgehen, der hat ein dickes Plus.
Ich muss aber auch darauf hinweisen, dass es sehr, sehr arme Menschen in Deutschland gibt. Das geht weitgehend unter in unserer Hochglanz-Welt mit den Hochglanz-Fassaden. Da geht der Sat-Receiver vor dem 50er noname-Röhren-TV mit dem magentastichigen Bild kaputt und dann wars das. Der alte SD-Kabelreceiver von guten Bekannten aus der Stadt hilft dann nicht und ein "neuer" gebrauchter Satreceiver für 25 EUR ist finanziell nicht drin. Dazu erlebt man dann zuweilen eine Mischung aus Verzweiflung und absolutem nicht-mehr-Klarkommen mit der Welt insgesamt. Solche Situationen haben wir zuhauf im Land, ich wollte es anfangs auch nicht glauben und musste es erst selbst einmal bei einem Wohnungsbesuch kennenlernen. Hatte letztens mit jemandem zu tun, der als Teil der Besatzung eines Notarztwagens täglich Menschen daheim besucht. Er kennt die soziale Situation speziell in Ostthüringen und sagte zu mir, 1/3 der Menschen wären "alt und krank" und ein weiteres Drittel wäre "asozial" - auch jüngere, auch Menschen im Berufsleben, auch Lehrer, Sozialarbeiter etc. Er habe gelernt, in solchen Wohnungen durch den Mund zu atmen, um den Verwesungsgeruch zu ertragen, aber nach 10 Minuten würde der Rachen trocken und dann wirds eklig. Ebenfalls von ihm kam die grobe Abschätzung, dass etwa 50% der Ärzte in dieser Region AfD-Anhänger sind. Nur um ein weiteres Klischee zu entkräften: das sind nicht die Anwälte der "kleinen Leute".
Darüber hinaus gibt es geistig top-fitte und niveauvolle Menschen, die nach einem Berufsleben im Bereich des Kulturschaffens eine so geringe Rente beziehen, dass auch sie kaum noch Teilhabe an der Welt haben können. Da gibt es kein Auto, kein Autoradio und einen DAB-Empfänger der vielleicht nicht untersten Klasse (es soll ja auch einigermaßen klingen) für vielleicht 100 EUR können sie sich auch nicht leisten. Diese Menschen fallen aber draußen kaum auf, da sie ihr Leben in Würde und Bescheidenheit führen, ohne optisch oder durch ihr Verhalten auffällig zu werden.
Im Fall BR-Klassik bekommt man über DAB+ auch wirklich UKW-Qualität geboten, da wärs dann egal ob man UKW mit PULS belegt oder nicht. Hörer können ja immer noch wechseln und haben im Gegenteil zu anderen Sendern keinen klanglichen Qualitätsverlust.
Ja, BR Klassik klingt mit seinen 144 kbps LC-AAC brutto super auf DAB. Aber es ist eben wieder ein neuer Empfänger nötig für jeden Ort, an dem es bislang UKW tat. Solche Umstellungen tun teils finanziell weh, teils hat es aber weitere Konsequenzen, die man anfangs nicht sieht, die sich aber in der Praxis zeigen: da wird u.U. die Stereoanlage wertlos, weil sie keinen Aux-In hat. Oder - ein absolut nicht-monetäres Problem - es sieht einfach hässlich aus, noch eine Empfangsdose mit Steckernetzteil, Zimmerantenne und Adaptergestrüpp oben drauf zu stellen. Es gibt Menschen, die sich nicht wild Technikgerümpel in die Wohnung stellen wollen, sondern mit Bedacht eine optisch anständige Lösung auswählen - und das wird dann durch solche Änderungen zerstört. Klar, 1st-world-problem, aber für die Betroffenen mindestens ärgerlich.
In Bayern kommt ja noch hinzu, dass ab 2019 UKW-Verbreitung in Kabelnetzen und größeren Hausantennenanlagen gesetzlich verboten (!!!) ist. Man könnte also nichtmal auf BR Klassik via UKW-Kabel ausweichen, wenns an der Wurfantenne nicht mehr spielt. Man muss neue Technik kaufen.