Ich hatte heute Abend das Vergnügen den legendären Matthias Holtmann wieder einmal live zu erleben. Anlass hierfür war sein Buch: Porsche, Pop und Parkinson. Der Gastgeber war die Firma Seitenbacher in Buchen im tiefsten Badisch Sibirien. Beim Namen Seitenbacher wird dem ein oder anderen ein mehrmaliges "Lecker" eines kleinen Kindes oder die Worte "Woisch, Karle" durch den Kopf gehen. So wurde man konsequenterweise auch vom Werbejingle-produzierenden Firmenchef höchstselbst begrüßt.
Dann Auftritt Matthias Holtmann, Kinn tief auf der Brust, Buckel und mit starrem Blick. Die typische Haltung eines Parkinsonkranken, aber eben auch erschreckend, wenn man den quirrligen Mann von früher noch vor Augen hat. Zunächst liest er einige Seiten aus seinem Buch, nur zur Einleitung, im Stehen, bewegt sich aber dann zielstrebig auf das Klavier zu, um das Publikum dazu zu bringen bei bekannten Werbejingles mitzusingen. Man merkt ihm an welch diebische Freude es ihm macht, den Zuhörern vorzugeben "Waschmaschinen leben länger" und diese dann antworten zu hören: "mit Calgon". Und da ist sie dann wieder: die dreckige Holtmann-Lache. Man merkt, er legt sich sein Publikum zurecht.
Danach geht es um die Kindheit und seine ersten Erfahrungen mit dem Autofahren. Er behauptet, dass bisher 70 Autos auf seinen Namen zugelassen gewesen wären, und angesichts der Hingabe, mit der er einige davon aufzählt, möchte man ihm das auch glauben. Auf das Thema Auto legt er, getreu dem Titel, besonders viel wert; erzählt vom ersten illegalen Fahren, oder davon wie er seiner Mutter mit 16 regelmäßig den Wagen entwendet hat, um nachts heimlich herumzufahren, teils mit weiblicher Begleitung.
Aber auch auf die Krankheit geht er ein, erzählt davon, wie es war zu realsieren was mit ihm passiert. Geahnt habe er es schon lange, nur wahrhaben wollte er es nicht. So trank er immer mehr Alkohol, war teilweise mittags schon besoffen. Schließlich brachte ihn ein Freund dazu, endlich einen Arzt aufzusuchen. Dieser stellte dann auch rasch die Diagnose, die Holtmann ohnehin schon kannte. Danach kam das komplette Programm: Kernspin, Medikamente, Work-out Programm.
Er erzählt, als Kind habe er oft seinen Großvater begleitet. Dieser war Arzt in Kamen und nahm Matthias mit, nicht nur zu Autounfällen auf dem Kamener Kreuz, sondern auch zu Menschen mit Schüttellehmung. Er habe diese Menschen als Kind immer angestarrt, war faziniert von der Krankheit, freilich unwissend, dass es ihm einst ähnlich ergehen sollte.
Auch vom Radio erzählt er, davon welche Vorzüge dieses Medium habe. Er sagt, im Radio bliebe nur die Stimme. Im Fernsehen sei sie bloßes Beiwerk zu den Bildern. Der Stimme im Radio würde man dagegen zuhören. Er erzählt auch von Begegnungen, die er hatte und die ihn selbst als abgebrühten Radiomann nicht kalt gelassen hätten - wie das Treffen mit Paul McCartney oder Jennifer Lopez. Schließlich streut er noch Stücke aus seinem Pop & Poesie Schaffen mit ein, stellt den "Originaltext" Janis Joplins "Mercedes Benz" vor, verdreht den Text von Andrea Bergs "Tausendmal belogen" ins Gegenteil. Sicher, der geneigte Holtmann Experte kennt viele dieser musikalischen Einschübe, Witze und Anekdoten schon. Nichtsdestotrotz liefert Holtmann all das als bunte Show ab. In seinen spontanen Einlassungen oder im Zwischenspiel mit dem Publikum hat er nichts an seiner Spritzigkeit und Schlagfertigkeit eingebüßt. Und so ist der Eindruck zwiespältig: Zum einen ist da dieser Mann mit der gebückten Körperhaltung und dem gesenkten Kopf. Zum anderen ist da aber immer noch der arrogante, rotzfreche Schnösel mit dem schnellen Mundwerk. Deswegen ist es gut zu sehen, dass er sich trotz seiner Krankheit treu geblieben ist. Er verabschiedet sich mit dem positiven Ausblick, dass er weitermachen will, bis er nicht mehr kann und im Übrigen schon gespannt sei auf das Abiturzeugnis seines im letzen November geborenen Sohns. Man will es ihm wünschen.