Wenn ich hier andererseits lese, das für die Normalisierung mittels MP3 Gain (reine Pegelbewertung?) unterschiedliche Zielgains ins Feld geführt werden, dann kann ich darin keine Norm entdecken und mich nur wundern.
Ganz einfach:
Als Institution eine Norm zu proklamieren bzw. sich als Anwender an eine solche zu halten ist die eine Sache, die Sinnhaftigkeit der Norm an sich sowie der Sinn ihres Einsatzes eine andere. Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt Äpfel mit Birnen vergleiche: Die festgenagelten Krümmungswinkel von Gurken, Bananen, WC-Trapsen und anderer Normierungswahnsinn haben doch deutlich gemacht, wieviel Unsinn man anrichten kann.
Das betrifft die Normalisierungsverfahren (schön, dass wir langsam wenigstens wieder dahin zurückkommen) in exakt der gleichen Weise. Wenn es gar keinen Grund gibt, sich überhaupt irgend eines der zu verfügung stehenden Verfahren zu bedienen, warum sollte man es anwenden? Nur weil es das gibt? sicher nicht.
Wenn die Aufgabe einer Normalisierung ansteht, dann gibt es noch immer keinen grundsätzlichen Zwang, sich eines bestimmten Verfahrens und bestimmter Parameter zu bedienen, denn bevor ich arbeite, betreibe ich naturgemäß Arbeitsplanung. Ich habe mich also zu fragen, mit welchen Werkzeugen ich welche Halbzeuge bearbeiten möchte, so dass ich nur minimalen Abfall generiere. Klingt verdammt nach Handwerk? Ist auch Handwerk!
Nun kommt die alte Leier, aber ich schreibs gern noch ein paar mal:
Wie eben schon bemerkt, mache ich mir Gedanken um meine Arbeitsmittel, die Halbzeuge sowie die nötigen Arbeitschritte, BEVOR ich anfange zu arbeiten. Das setzt schon mal voraus, dass ich auch weiß, was ich eigentlich herstellen möchte
Bleiben wir doch gleich bei der in diesem Thread ursprünglich gestellten Aufgabe, nämlich eine Lautheits- und Klangfarbennormalisierung für eine Radioautomation zu realisieren. Auch, wenn x Lesern das widerstreben mag: So stellte Anne sich das vor.
Dass die Aufgabe mit einem Mehrbandkompressor zu realisieren ist, ist schon abgehakt. Damit ist das Abeitsmittel klar. Also steht noch die Frage nach der Konsistenz der Halbzeuge, was im beschriebenen Fall wohl MP3-Dateien zu sein scheinen, die offensichtlich hinsichtlich ihrer Pegel noch keine Bearbeitungen erfahren haben. Wo die jeweils liegen, ist also unbekannt, egal ob wir nach Lautstärke oder Lautheit fragen.
Da ein (reiner) Kompressor ein Gerät ist, dessen Wirkergebnis zunächst leiser als der Input ausfällt (was am Ende i.d.R. gemakeupgaint, also wieder aufgeholt werden muss), könnte man fast schon auf die Idee kommen, sich zu fragen, wieso man vorher überhaupt irgendetwas leiser machen müsste. Das liegt ja nun bekanntlich daran, dass man einen Kompressor nur vernünftig in einem gewissen Toleranzband um einen selbst und frei gewählten Arbeitspunkt herum anfahren kann. Ansonsten handelt man sich mehr klangliche Schwierigkeiten ein, als man eigentlich ausbügeln möchte.
Hat man einen Mehrbandkompressor mit (Gated) AGC zur Hand, hat man ein deutlich größeres Toleranzband auf der Eingangsseite, als dies bei einem Kompressor der Fall wäre, wo der Input unmittelbar den VCAs und dem Regelsignalgenerator zugeführt wird.
Die Frage ist nun also: Wie groß muss mein Toleranzband denn insgesamt werden? Das wissen wir ebenfalls wieder nicht, denn wir haben keinen blassen Schimmer, was für Musik irgendwann durch den Kompressor rasseln wird. Wir wissen auch nicht, weit die Kompression getrieben werden soll.
Und genau hier sind wir an dem Punkt, an dem gar keinen Sinn macht, über irgendwelche Zahlen zu sprechen. Der Anweder steht vor einem individuellen Anwendungsfall, dem mit individuellen Parametern zu begegnen ist. Der Anwender ist auch keine Rundfunkanstalt, die über X Studios verfügt und sich somit mindestens eine eigene interne Norm auferlegen muss, damit es bei Schalten keine Differenzen gibt. Er darf sich also getrost bei seiner Parameterwahl ganz bequem an seinen Erfordernissen orientieren. Das selbstverständlich nur im Rahmen der Grenzen, die ihm das Medium auferlegt.
Konkret wäre es also sinnfrei, alle Titel des Archivs weiter nach unten zu normalisieren, als es nötig ist.
Hierbei spielt es keine Rolle, ob R-128 oder MP3Gain zum Einsatz kommen. Wie weiter oben erwähnt, wäre R-128 mit ReplayGain-Methode grundsätzlich die präzisere Alternative, aber eben nicht die flexibelste. Auch hier kann sich der Anwender getrost Gedanken darüber machen, ob der das, oder lieber mit MP3Gain arbeiten möchte. MP3Gain arbeitet weniger präzise, dafür ist sein Endergebnis problemlos anwendungsübergreifend portierbar.
Da es in diesem speziellen Fall aber ohnehin darum geht, dass lediglich ein Input für eine nachfolgende Dynamikregelung geschaffen werden soll, könnte man sich die Toleranzen, die MP3Gain hinterlässt, auch noch erlauben.
Was also bringt hier das Pochen auf eine Norm, deren Einhaltung keinerlei zusätzlichen Nutzen bringt? Im Gegenteil: In Abhängigkeit vom zu normalisierenden Programmmaterial kann sogar "Schaden" entstehen, nämlich dann, wenn der Gainprozess zu digitaler Untersteuerung führt. Diese ist genau dann erfüllt, wenn kein Signal mehr die -6-dBfs-Marke überschreitet. Das entspricht dem, was ich Datenreduktion nenne, denn dem Ausspielvorgang steht das MSB dann nicht mehr zur Verfügung. Dies entspricht wiederum einer Einschränkung des Dynamikumfangs des Mediums selbst, den man nur dann und insofern hinzunehmen hat, wenn es eine Anwendung konkret erfordert. Ansonsten hat man eben auszusteuern, nicht zu untersteuern.
Nun ist es aber nunmal so, dass die normgerechte Anwendung von R-128 sowie MP3Gain (mit dessen Default von 89,0 dB) auf Popmusik im Schnitt eine heftige Untersteuerung zur Folge hat. Anschließend soll ja in diesem hier diskutierten Fall noch der Kompressor nachgesetzt werden, der zusätzlich draufhaut, was schon 2 MSBs praktisch unbrauchbar macht. In der Folge hätten wir gut und gern 12 von 90 dB Dynamikumfang unwiderbringlich verrissen; statt 15 Bit arbeiten nur noch 13 effektiv (das LSB ist bekanntlich zwar schon an der Signalreproduktion beteiligt - irgendwo muss der Wertebereich ja auch anfangen -, ist aber selbst nicht in der Lage, ein Signal abzubilden und fällt daher raus).
Zum Schluss des Bearbeitungsprozesses steht die MakeupGain, die den ganzen Salat wieder herausreißen muss, da niemand diesen leisen Mist hören will. Warum auch sollte man am Ende einen schlechteren (analogen) Signal-Rauschabstand in Kauf nehmen, der sich zwangsläufig ergibt, wenn man den Lautstärkeregler am Verstärker wesentlich weiter aufreißen muss, als es notwndig wäre, käme aus dem Audiointerface das, was an Pegel machbar ist? Außerdem ist es immernoch so, dass die Wandlerpräzision dann am höchsten ist, wenn der Dynamikbereich des Mediums ausgenutzt wird - ein weiterer Grund, warum sich gezielte und konsequente Untersteuerung auf digitaler Ebene schlicht und einfach verbietet.
Die Frage, ob das Mehr an Quantisierungsrauschen durch den digitalen Gainvorgang, oder das Mehr an Stör und Rausch auf analoger Seite nun das größere Übel sein werden, kann man sich auch noch stellen. Die Frage kann man sich sogar erst Recht stellen, wenn man bedenkt, dass man es ja jetzt mit dynamikreduziertem Programmmaterial zu tun hat, das naturgemäß das physikalisch bestehende SNR gefühlsmäßig maskiert und damit relativiert. Auch die Antwort darauf ist vom Anwendungsfall abhängig.
Ist die Wiedergabeseite so hochwertig, dass Rauschen und Störeinflüsse völlig undiskutabel sind, bleibt nur der Gesichtspunkt "Wandlerpräzision". Im allgemeinen, besonders aber beim Heimanweder wird man aber die analogen Stufen sowohl des Audiointerfaces als auch des Leistungsverstärkers zusammen als "Schwachpunkt" ansehen können, so das am Ende die Entscheidung ziemlich eindeutig pro -2 dBfs ausfallen sollte.
Insgesamt kann und sollte man sich also verdammt viele Gedanken machen, will man denn
http://www.radioforen.de/index.php?threads/aussteuerung-von-audiosignalen.20073/ schrieb:
übertragungstechnisch und künstlerisch
so korrekt wie möglich aussteuern. Da hilft nicht irgendeine Norm XY, sondern umfassende Kenntnis von allem, was dazugehört. Es könnte ja sein, dass Norm XY ganz anderen, tieferliegenden Vorgaben im Wege steht, oder aber schlicht gar nicht weiterhilft.